12.30 Uhr. Es klingelt im Minutentakt an der Wohnungstür. Die Grundschulkinder der Grundschule Dreekerheide und der Grundschule Am Waldschlösschen haben Schulschluss und kommen direkt zum Treffpunkt Oberlohmannshof. Inklusive Gewusel im Flur, emsigem Händewaschen und fröhlichem Geplappere. Steffen Gräf hat für jedes der Kinder ein offenes Ohr, fragt, wie der Schultag war, hört sich an, was sie am Wochenende erlebt haben. Seit dem 15. September 2021 ist der Sozialpädagoge bei der GfS – und schon bestens im Oberlohmannshof angekommen. Der 31-Jährige hat die Leitung des Treffpunkts von Heinz Kirchner übernommen, der 40 Jahre lang seine Kraft und Arbeit in die Quartiersarbeit gesteckt hat und nun im Ruhestand ist.
„Ich bin hier sehr gut aufgenommen worden“, sagt Steffen Gräf, nachdem er am Tisch im kleinen Besprechungsraum Platz genommen hat. Und sein Vorgänger lobt: „Einen besseren Nachfolger als Steffen hätte ich mir nicht vorstellen können.“
Was der gebürtige Niederrheiner an seiner Arbeit liebt? Unter anderem die Spontanität: „Man weiß nie, was passiert und was einen am nächsten Tag erwartet.“ Aber auch die Beziehungsarbeit mit den Kindern und Familien schätzt er sehr. „Wir sind immer für sie da, in allen Situationen, und wir wachsen mit ihnen zusammen.“ Dafür erfahren er und das Team stets viel Dankbarkeit und Wertschätzung.
Diese Wertschätzung, inner- und außerhalb des Viertels, ist es auch, die Heinz Kirchner all die Jahre in seiner Arbeit bestätigt hat. „Die Kontaktpflege haben wir immer sehr gut hinbekommen“, sagt er nicht ohne Stolz. Das Treffpunkt-Team sei seit jeher Ansprechpartner für alle. „Die Menschen kennen uns, weil wir hier schon so lange für sie da sind.“ Die kontinuierliche Beziehungsarbeit sei das A und O, damit Eltern und Kinder Vertrauen entwickeln. „Es kommt auf die innere Haltung an und darauf, wie man mit den Menschen umgeht.“
Wie alles begann
1981 hat der gebürtige Duisburger mit seiner Arbeit begonnen. Die Anfänge liegen aber sogar noch zwei Jahre weiter zurück. 1979 wurde eine Holzhütte auf dem Robinson-Spielplatz errichtet. Sie war für Kinder und Jugendliche aus dem Wohnquartier am Oberlohmannshof eine wichtige Anlaufstelle. Mittlerweile steht sie nicht mehr. Aber aus der Spielplatzbetreuung entstand der Treffpunkt Oberlohmannshof in zwei nebeneinander liegenden und umfunktionierten Wohnungen an der Orionstraße. Die ersten Schritte waren gemacht. „Dank unserer Räume in den Wohnungen konnten wir viel intensiver mit den Familien in Kontakt treten.“ Es entwickelte sich ein abwechslungsreiches und dem Bedarf der Kinder entsprechendes Freizeitprogramm inklusive Erlebnis- und Medienpädagogik. Regelmäßige Feste fürs Viertel wurden ausgerichtet, Ferienfreizeiten organisiert und Netzwerke sind entstanden. Das Ergebnis ist eine lebendige Quartiersarbeit, die inzwischen schon die zweite Generation der Bewohner der Siedlung aus den 1970er-Jahren erreicht.
1981 zogen vor allem Familien aus der ehemaligen Sowjetunion ein, die aber nach und nach wieder auszogen. Es folgten türkische Gastarbeiter, deren Kinder fast alle im Viertel geblieben sind. Der Balkankrieg und der erste Irakkrieg 1990 folgten. „Was global in der Welt passiert, spiegelt sich auch immer etwas zeitversetzt in der Siedlung wider“, sagt Heinz Kirchner. Bald werden auch die Folgen des Kriegs in der Ukraine spürbar sein. Das Viertel befinde sich immer im Wandel, phasenweise sei die Fluktuation sehr hoch. Und viele dieser Entwicklungen haben die Mitarbeitenden des Treffpunkts über die Jahre hinweg hautnah miterlebt. Heute haben mehr als 80 Prozent der Bewohner im Oberlohmannshof einen Migrationshintergrund, viele Familien haben kurdische oder muslimische Wurzeln.
Nächstes Projekt: der Umzug ins neue Stadtteilzentrum
Wahrscheinlich schon im Sommer 2023 wird die Quartiersarbeit einen weiteren großen Sprung nach vorne machen, wenn das neue Stadtteilzentrum an der Wegastraße eröffnet. „Der Platz in den Wohnungen reicht schon lange nicht mehr aus. Es ist schön, dass bald mehr Raum für mehr Angebote da sein wird“, sagt Christoph Konopka, Bereichsleiter Gemeinwesenarbeit – für Menschen aller Generationen aus ganz Jöllenbeck.
Auf die Eröffnung ist auch Heinz Kirchner gespannt. Und wenn er auf sein Arbeitsleben zurückblickt, schätzt er vor allem an der vergangenen Zeit, „dass uns immer freie Hand gelassen wurde und wir die Arbeit unseren Vorstellungen entsprechend gestalten konnten. Deshalb bin ich all die Jahre geblieben“. Und auch jetzt beantwortet er noch alle Fragen von Steffen Gräf. Denn niemals geht man so ganz. „Wenn ich gebraucht werde, bin ich da“, verspricht er mit einem Lächeln.